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Editorial

Editorial Wird das neue Urheberrecht bei Erscheinen dieses Heftes Realität sein? Und wird es besser sein als das alte? Selbst wenn Bibliotheken kein Lernmanagement-System betreiben, wurde im Gesetzgebungsverfahren schon ernsthaft erwogen, sie mit der Einzelerfassung der dort für Zwecke von Forschung und Lehre abgelegten Scans mittels einer Erfassungsmaske der VG Wort zu beauftragen. Ein fauler Kompromiss auf Kosten der großen Hochschul- und Universitätsbibliotheken? An großen Universitäten sind es sehr viele Scans, die von Lehrenden im hochschuleigenen Moodle abgelegt werden. Darunter sind ebenso selbstgeschriebene Texte wie Dokumente aus lizenzierten Datenbanken oder in der Bibliothek eingescannte Buchseiten. In einer Welt der Einzelerfassung müssten Bibliotheken einen Wust von Unterlagen sichten, daraufhin überprüfen, ob ein angemessenes elektronisches Angebot auf dem Markt dem Hochladen entgegensteht, und schließlich an die VG Wort weitermelden. Wer schon einmal einen erbosten Professor am anderen Ende der Telefonleitung hatte, weil dieser aus Aufwandsgründen nicht bereit war, der Bibliothek vertraglich zuzusichern, dass er tatsächlich die Rechte an einer Publikation besitzt, die auf das Uni-Repositorium hochgeladen werden soll, der kann sich lebhaft ausmalen, wie erfrischend die Kommunikation rund um die Einzelerfassung werden könnte. Eine einfache Lösung sieht anders aus. Und einfache, aber rechtssichere Lösungen sind für Forschende wichtig, denn im Wissenschaftsbetrieb ist keine Zeit für die Prüfung des Vertragsvorrangs oder für das Nachlizenzieren von Publikationen. Nur im kommerziellen Zusammenhang ist es nötig, dass Medien, die bereits lizenziert wurden, für die Verwertung – also für eine Kopie oder für den Lieferdienst – ein zweites Mal lizenziert werden. Wirtschaftsunternehmen wirtschaftliche Interessen vorzuwerfen ist müßig. Gerade mittelständische Verlage und Bibliotheken sitzen weithin in einem Boot. Wenn die Nutzbarkeit von gedrucktem Content – abgesehen vom Lesen und Abschreiben – zum rechtlichen Minenfeld wird, weil bei jeder Vervielfältigung oder Zurverfügungstellung in einer digitalen Umgebung eine juristische Prüfung stattfinden muss, werden Bibliotheken im Interesse ihrer Nutzer dazu übergehen, mehr digitale Medien zu lizenzieren. Damit begeben sie sich in neue Abhängigkeiten von den großen Contentanbietern, und Print-Verlage bleiben außen vor. Dank eines neuen verständlichen Urheberrechts könnte es für Bibliotheken und für ihre Nutzer tatsächlich einfacher werden. Für Bibliotheken lohnt sich auch der Blick in angrenzende Rechtsbereiche. Denn Museen sollen, wenn es nach dem Willen der Länder geht, künftig geschützte Ausstellungs- und Bestandsstücke auch dann in elektronischer Form öffentlich zugänglich machen können, wenn die eigentliche Ausstellung bereits vorbei ist. Im Moment ist dies nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausstellung erlaubt. Und es sollte nach dem Willen des Bundesrats künftig auch gesetzlich erlaubt sein, Bestände, die nicht in einer Ausstellung zu sehen sind oder waren, im Internet zeigen zu dürfen. Für Museen würde das ganz neue Möglichkeiten eröffnen, ihre geschützten Bestände orts- und zeitunabhängig zugänglich zu machen. Die Rechte der Künstler dürfen hierbei natürlich nicht unangemessen eingeschränkt werden. Bibliotheken werden diese Entwicklung sicher genau beobachten. Bis dahin aber möchte ABI Technik mit dem Themenschwerpunkt „Speichern & Archivieren“ bewusst auf einen ganz anderen Aspekt der Nachhaltigkeit aufmerksam machen. Die Fachbeiträge dieses Hefts sind teils aus dem Mainzer Symposium „Sharing is Caring“ hervorgegangen, teils aber auch eigens für dieses Heft verfasst worden. Mit einem Blick auf digitale Archivierung in Archiven soll zudem der Bereich der Bibliotheken bewusst verlassen werden. Ebenso wie in der Schweiz die Speicherbibliothek als selbstständige Einrichtung für Printmedien geschaffen wurde, haben sich die Hessischen Staatsarchive bei der digitalen Archivierung für diesen Weg entschieden. Die beiden Veranstalter des Mainzer Symposiums, Andreas Brandtner und Peter Reuter, haben mit ihrer Tagung einen ganz eigenständigen Blick auf ein kontroverses Thema gewagt und haben auch die Beiträge für den Themenschwerpunkt „Speichern & Archivieren“ kuratiert. Konstanze Söllner http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png ABI Technik de Gruyter

Editorial

ABI Technik , Volume 37 (2): 1 – Jul 26, 2017

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Publisher
de Gruyter
Copyright
© 2017 by De Gruyter
ISSN
2191-4664
eISSN
2191-4664
DOI
10.1515/abitech-2017-0020
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Abstract

Wird das neue Urheberrecht bei Erscheinen dieses Heftes Realität sein? Und wird es besser sein als das alte? Selbst wenn Bibliotheken kein Lernmanagement-System betreiben, wurde im Gesetzgebungsverfahren schon ernsthaft erwogen, sie mit der Einzelerfassung der dort für Zwecke von Forschung und Lehre abgelegten Scans mittels einer Erfassungsmaske der VG Wort zu beauftragen. Ein fauler Kompromiss auf Kosten der großen Hochschul- und Universitätsbibliotheken? An großen Universitäten sind es sehr viele Scans, die von Lehrenden im hochschuleigenen Moodle abgelegt werden. Darunter sind ebenso selbstgeschriebene Texte wie Dokumente aus lizenzierten Datenbanken oder in der Bibliothek eingescannte Buchseiten. In einer Welt der Einzelerfassung müssten Bibliotheken einen Wust von Unterlagen sichten, daraufhin überprüfen, ob ein angemessenes elektronisches Angebot auf dem Markt dem Hochladen entgegensteht, und schließlich an die VG Wort weitermelden. Wer schon einmal einen erbosten Professor am anderen Ende der Telefonleitung hatte, weil dieser aus Aufwandsgründen nicht bereit war, der Bibliothek vertraglich zuzusichern, dass er tatsächlich die Rechte an einer Publikation besitzt, die auf das Uni-Repositorium hochgeladen werden soll, der kann sich lebhaft ausmalen, wie erfrischend die Kommunikation rund um die Einzelerfassung werden könnte. Eine einfache Lösung sieht anders aus. Und einfache, aber rechtssichere Lösungen sind für Forschende wichtig, denn im Wissenschaftsbetrieb ist keine Zeit für die Prüfung des Vertragsvorrangs oder für das Nachlizenzieren von Publikationen. Nur im kommerziellen Zusammenhang ist es nötig, dass Medien, die bereits lizenziert wurden, für die Verwertung – also für eine Kopie oder für den Lieferdienst – ein zweites Mal lizenziert werden. Wirtschaftsunternehmen wirtschaftliche Interessen vorzuwerfen ist müßig. Gerade mittelständische Verlage und Bibliotheken sitzen weithin in einem Boot. Wenn die Nutzbarkeit von gedrucktem Content – abgesehen vom Lesen und Abschreiben – zum rechtlichen Minenfeld wird, weil bei jeder Vervielfältigung oder Zurverfügungstellung in einer digitalen Umgebung eine juristische Prüfung stattfinden muss, werden Bibliotheken im Interesse ihrer Nutzer dazu übergehen, mehr digitale Medien zu lizenzieren. Damit begeben sie sich in neue Abhängigkeiten von den großen Contentanbietern, und Print-Verlage bleiben außen vor. Dank eines neuen verständlichen Urheberrechts könnte es für Bibliotheken und für ihre Nutzer tatsächlich einfacher werden. Für Bibliotheken lohnt sich auch der Blick in angrenzende Rechtsbereiche. Denn Museen sollen, wenn es nach dem Willen der Länder geht, künftig geschützte Ausstellungs- und Bestandsstücke auch dann in elektronischer Form öffentlich zugänglich machen können, wenn die eigentliche Ausstellung bereits vorbei ist. Im Moment ist dies nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausstellung erlaubt. Und es sollte nach dem Willen des Bundesrats künftig auch gesetzlich erlaubt sein, Bestände, die nicht in einer Ausstellung zu sehen sind oder waren, im Internet zeigen zu dürfen. Für Museen würde das ganz neue Möglichkeiten eröffnen, ihre geschützten Bestände orts- und zeitunabhängig zugänglich zu machen. Die Rechte der Künstler dürfen hierbei natürlich nicht unangemessen eingeschränkt werden. Bibliotheken werden diese Entwicklung sicher genau beobachten. Bis dahin aber möchte ABI Technik mit dem Themenschwerpunkt „Speichern & Archivieren“ bewusst auf einen ganz anderen Aspekt der Nachhaltigkeit aufmerksam machen. Die Fachbeiträge dieses Hefts sind teils aus dem Mainzer Symposium „Sharing is Caring“ hervorgegangen, teils aber auch eigens für dieses Heft verfasst worden. Mit einem Blick auf digitale Archivierung in Archiven soll zudem der Bereich der Bibliotheken bewusst verlassen werden. Ebenso wie in der Schweiz die Speicherbibliothek als selbstständige Einrichtung für Printmedien geschaffen wurde, haben sich die Hessischen Staatsarchive bei der digitalen Archivierung für diesen Weg entschieden. Die beiden Veranstalter des Mainzer Symposiums, Andreas Brandtner und Peter Reuter, haben mit ihrer Tagung einen ganz eigenständigen Blick auf ein kontroverses Thema gewagt und haben auch die Beiträge für den Themenschwerpunkt „Speichern & Archivieren“ kuratiert. Konstanze Söllner

Journal

ABI Technikde Gruyter

Published: Jul 26, 2017

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