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In her contribution, Ich, Dilek Divan, the author, Dilek Divan, makes a striking case that racist and anti-feminist behaviors are so internalized in our societ y that they can appear even in those lef tist circles where explicitly anti-racist and feminist positions are held. Racism can take more subtle forms than an overt insult – it can, Divan describes, sneak in bet ween the lines of language and action. In her contri- bution, she intert wines her own experiences of disrespect and degradation because of her name and its origin with a systemic perspective on racist structures. Title Me, Myself, Dilek Divan. An Experience Report about Ever yday Racism Key words ever yday racism, anti-racism, gender studies, language criticism Ich, Dilek Divan, habe mich beim FLUT Magazin (das an späterer Stelle im Beitrag des Frauen*Streikbündnisses noch auf tauchen wird) mit einem Foto für die kommen- de Ausgabe beworben und als Antwort auf meine Einreichung wurde ich von der Per- son, die mir geschrieben hat, Franzi, misgendert. Es hieß dann »Lieber Dilek« als An- rede. Ich habe mich nicht wertgeschätzt und gesehen gefühlt und war so verdammt wütend über diese rassistische Herabwürdigung und enttäuscht davon, dass Men- schen, die von sich behaupten intersektional und somit nicht nur feministisch, son- dern auch antirassistisch zu sein, dies of fensichtlich nicht sind. Das FLUT-Team hat meinen Namen gelesen und ist dann wohl in Panik ausgebrochen, weil er f remd ist, also nicht deutsch. Das ist Other ing, also das Deutlichmachen, dass man als Adres- 1 Anmerkung der Redaktion: Das Inter view des Frauen*Streikbündnisses mit dem FLUT Magazin wurde leider kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen. An der entsprechenden Stelle erläutern wir diesen Umstand ausführlicher. Corresponding author: Dilek Divan; aua-redaktion@riseup.net; Open Access. © Dilek Divan 2022, published by transcript Verlag This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 (BY ) license 2022 48 Dilek Divan sat*in zu dem Ihr gehört und nicht zu dem Wir. Das ist Rassismus! Man hätte den Na- men z.B. einfach im Internet nachschlagen können, dann hätte man erfahren, dass Dilek ein türkischer weiblicher Vorname ist, mich danach fragen oder eine der gän- gigen geschlechterneutralen Anreden benutzen können. Anstatt also Informationen über meinen Namen und meine geschlechtliche Verortung in Erfahrung zu bringen, haben sie entschieden, dass ich ein Mann bin. Das Foto zeigt den Teil eines Frauenkörpers, der von kurz unterhalb der Brust- warzen bis knapp unter den Po geht. Um die Hüf te ist ein pinker Strap On Dildo ge- schnallt. Wenn man davon ausgeht, dass ich ein Mann bin, kann man das falsch ver- stehen. Wenn man davon ausgeht, dass ich ein Mann bin, dann glaubt man vielleicht, ich hätte ein als weiblich gelesenes Model engagiert, es dazu gebracht, einen Um- schnalldildo anzuziehen, den Körper dieser Frau mit Intimbereichen abgelichtet, um das Foto dann einem feministischen Magazin zu schicken. Nein, das ist mein Körper! Der Körper einer Woman of Colour, die eine für große Teile der Gesellschaf t fremde Sexpraktik andeutet. Ich habe in einer Antwortmail, die ich an Franzi adressiert habe, auf das Misgen- dern, die falsche Deutung meines Fotos und den Rassismus hingewiesen, damit eine Erklärung des Problematischen gegeben und eine Klärung anstoßen wollen. Darauf- hin habe ich eine Mail erhalten, in der stand, das FLUT-Team werde daraus lernen und in Zukunf t ref lektierter mit der e Th matik umgehen. Ich fühlte mich und war erneut nicht ernst genommen worden, denn die Mail war so kurz, dass sie mir deren Desinte- resse unterbreitete. Ich fragte mich wie die Herausgeberinnen des Magazins mir da- mit zeigen wollten, dass sie sich mit dem e Th ma beschäf tigt hatten, denn mir wurde kein Gespräch angeboten, es kam auch kein Satz zu einer möglichen Neuinterpreta- tion meines Fotos und das wichtigste, es kam auch keine Anmerkung dazu, an wel- cher Stelle sie ihre Arbeitsweise, also ihre eigene Struktur, so verändern wollten, dass sie Einreicher*innen nicht mehr in der Form des Misgenderns rassistisch behandeln werden. Das ist der springende Punkt. Eine Entschuldigung ist auf persönlicher Ebe- ne wichtig, bewirkt aber nicht aktiv etwas gegen Rassismus. Rassismus ist strukturell verankert! Menschen müssen Strukturen, in denen sie leben und arbeiten, für die sie verantwortlich sind, verändern, um die Unterdrückung aus ihnen herauszubekom- men. Das, was mit meinem Namen passiert ist, widerfährt mir ständig. Ich könnte noch etliche weitere Beispiele anführen, belasse es aber bei zweien, die nun folgen: Ich bin seit vier Jahren beim BAföG-Amt gemeldet und nach jahrelangem Mail- verkehr, bei dem ich meine Mails in der üblichen Form beendete und meinen vollen Namen darunterschrieb und in den an mich adressierten Mails als Frau Divan ange- sprochen wurde, war ich in der letzten Mail für die meinen Fall bearbeitende Person plötzlich Frau Dilek. Was soll das!?!?! Wäre diese Person auch auf die Idee gekommen, wenn ich z.B. Laura Musterfrau hieße, mich mit Frau Laura anzuschreiben? Eine zuständige Person im Corona-Testzentrum machte, nachdem ich ihr mein ausgefülltes Stempelkärtchen gegeben hatte, diese üble Bemerkung: »Da weiß man ja gar nicht, was der Vorname und was der Nachname ist.« Ich gab eine sehr wütende und sagenhaf t einfache Antwort: »Na, so wie es da steht!« Als wäre ich zu blöd, bei Name meinen Namen und bei Vorname meinen Vornamen einzutragen. Er nsthaf t!?!?! Wie in allen drei auf meinen Namen bezogenen Fällen taucht, ebenso wie auch an- dere Formen der Unterdrückung von Menschen, Rassismus in verschiedensten Ge- Ich, Dilek Divan 4 9 stalten auf, eben auch in denen des Alltagsrassismus, einer gesellschaf tlich etablierten Form der Herabwürdigung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunf t, die sich eben nicht nur in der direkten Beleidigung von BIPoC äußert, sondern sich »zwischen den Zeilen« von Sprache und Handlung hinterhältig verletzend ihren Weg zur*m Adressierten bahnt. Rassismus steckt also im System. Das heißt, er tritt in verschiedensten Formen des gesellschaf tlichen und politischen Miteinanders auf. Er ist ein Problem, dass alle Menschen, die in solch einem System sozialisiert wurden und werden, reproduzieren, da sie dazu erzogen wurden. Sie sind Teil der Verkörperung der Struktur. Wochen später: Vom FLUT Magazin kam eine Einladung zur Releaseparty auf Deutsch, von der ich auf Englisch wieder ausgeladen wurde. Ich spürte schon Wut über die Einladung, aber durch die englischsprachige Mail nochmals rassistisch behandelt worden zu sein, trieb meine Wut ins Unendliche. Hatte ich die Problematik denn genau diesen Menschen gegenüber nicht schon mal erwähnt? Die Absenderin, Franzi, war dieselbe, die mir vor ein paar Wochen noch zugesichert hatte, dass die Gruppe sich besprechen und aus ih- ren Fehlern lernen würde, damit so etwas nicht mehr passiere. Ich habe dann wieder in einer Mail geschrieben, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist und ich nicht ras- sistisch behandelt werden will. Ich bin es leid mich damit auseinandersetzen zu müs- sen! Ich bin es leid, dazu gezwungen zu werden, zu diskutieren, dass es mich gibt und ich auch würdevoll und unhinterfragt leben darf. Ich will nicht herabwürdigend be- handelt werden und diese Selbstverständlichkeit nicht auch noch rechtfertigen müs- sen. Ich habe nochmals geantwortet und den Herausgeberinnen klargemacht, dass ich ihnen das so nicht durchgehen lassen werde und sie mit Konsequenzen rechnen können. Dann erst, nachdem sie um das Ansehen ihrer Zeitschrif t bangen mussten, habe ich eine längere Mail erhalten. Mir geantwortet hat aber nicht Franzi, sondern Sheng. Die einzige PoC unter den Herausgeberinnen des Magazins. Sie schrieb im ers- ten Satz, dass es ihnen leidtue, dass ich mich rassistisch behandelt gef ühlt habe. What the f uck!?!?! Ich wurde rassistisch behandelt! Das ist eine Tatsache! Niemand fühlt et - was grundlos; die Emotionen fallen doch nicht einfach vom Himmel. Und außerdem negiert diese Aussage die Tatsache, dass Rassismus bei allen Personen existiert, die in- nerhalb bestehender Gesellschaf tsordnungen sozialisiert wurden. Als würden BIPoC sich manchmal einfach so aus Lust und Laune herabgewürdigt fühlen. Weiter schrieb Sheng, dass die Herausgeberinnen untereinander hierarchielos zusammenarbeiten und Awareness füreinander zeigen. Das freut mich für sie, heißt aber nicht, dass sie all das auch den Einreicher*innen gegenüber so handhaben. Dass ich eine Mail auf Englisch bekommen hatte, wurde damit begründet, dass es eine Rundmail gewesen und Englisch ja eine universale Sprache sei. Das ist keine gute Aus- rede, da das FLUT-Team sich ja meinen Namen und Fall merken und daraus lernen wollte. Mir auf Englisch zu schreiben beweist, dass nichts von meiner Kritik hängen geblieben ist, dass sie damals wahrscheinlich nicht einmal besprochen wurde. Ihre Fehler seien durch Orga und Achtlosigkeit passiert. Aber auch das ist keine Entschul- digung, denn genau das ist Alltagsrassismus. Man hat viel zu tun und schon hat man keinen Blick mehr für die Dinge, auf die man im Umgang mit Menschen achten woll- te. Generell keinen Blick mehr für Andere. Wenn man dann aber darauf aufmerksam gemacht wird, dass man sich rassistisch verhalten hat, sollte man es annehmen, sich 50 Dilek Divan einfach zurücknehmen und nicht abermals diskutieren, warum und ob es überhaupt passiert ist. Ich will besonders darauf aufmerksam machen, dass das FLUT-Team den Grund für ihre rassistisch-unterdrückende Behandlung kennt (zu viel Orga und Achtlosig- keit) und sich of fensichtlich immer noch keine Gedanken darüber gemacht hat, wie es ihre eigenen Strukturen ändern kann. Worauf ich noch aufmerksam machen möchte, ist, dass Sheng natürlich auch eine PoC ist, aber Rassismus eben durch seine strukturelle Verankerung sehr unterschied- liche Ausdrucksformen hat, was auch heißt, dass Black People, Indigenous People und People of Colour unterschiedliche Rassismuserfahrungen gemacht haben und ma- chen. Diese Verankerung, die Gesellschaf tsfähigkeit, von Rassismus, macht ihn un- kenntlich und führt leider auch dazu, dass betrof fene Menschen anderen Menschen, z.B. Freund*innen, Kolleg*innen, von denen sie glauben, dass diese nichts böse mei- nen, den Rücken stärken, obwohl diese Rassismus reproduzieren. Dieser Text ist nun die angesprochene Konsequenz: Ich gehe mit den Geschehnis- sen an die Öf fentlichkeit, weil ich es leid bin, dass es Rassismus immer noch gibt. Die Art und Weise der Antwortmails des FLUT-Teams, 1. der Inhalt, 2. das Drumherumre- den, 3. das Sagen, wie toll sie miteinander arbeiten, 4. das Sagen, woran es lag, 5. die- ses konsequenzlose Entschuldigen zeigt auf, dass man sich dem Problem nicht stellt. In ihrer letzten Mail kam zwar auch der Vorschlag zu einem Tref fen. Aber warum soll- te ich jetzt noch dahin? Um wie eine kaputte Platte immer und immer wieder an den Anfang des Problems zu springen, ohne jemals eine Veränderung zu erleben? Um noch mal zu erklären, was ich in den Mails schon geschrieben habe und was schon igno- riert wurde? Damit ich mir herabwürdigender Weise nochmals anhören kann, was das FLUT-Team schon gesagt hat? Das ist zu spät; der Rassismus ist schon passiert und hat sich auch noch wiederholt! Das Kind ist in den Brunnen gefallen! Und ich wer- de nicht diejenige sein, die euch dabei hilf t, eure Arbeitsstrukturen in Richtung Anti- rassismus zu verbessern. Das ist, wie ihr jetzt endgültig wissen solltet, eure Aufgabe!
Außeruniversitäre Aktion. Wissenschaft und Gesellschaft im Gespräch – de Gruyter
Published: Apr 1, 2022
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